Als ich 14 war, spielte ich bereits seit einigen Jahren Handball. Ich war eine gute Feldspielerin, es hat mir Spaß gemacht, und ich liebe es bis heute, Sport zu treiben, wobei der Sport auch wehtun darf, so wie Handball. Doch in diesem Jahr hatte ich, wie das vermutlich bei allen Kindern in der Pubertät ist, schlicht keinen Bock mehr darauf. Ich weiss nicht genau warum – vermutlich hatte ich das Gefühl, in diesem Sport nichts mehr erreichen zu können, oder das Gefühl, nichts wert zu sein, jedenfalls wollte ich nicht mehr. Ich dachte ein paar Tage darüber nach, und beim Sonntagsfrühstück, das meine Eltern und ich seit jeher auch als „Familienrat“ genutzt haben, sprach ich sie darauf an.
„Ich möchte mit dem Handballspielen aufhören.“
Mein Vater runzelte die Stirn und blickte erst fragend mich, dann meine Mutter an, sagte jedoch nichts.
Meine Mutter tat wenig überrascht und fragte: „Warum denn? Macht es Dir keinen Spaß mehr?“
„Ich weiß auch nicht. Keine Lust.“
„Ist irgendetwas vorgefallen?“, wollte mein Vater wissen. Nicht, weil er das wirklich vermutet hätte, ich habe schon immer offen ausgesprochen, wenn mir etwas Unschönes widerfahren ist, sondern er klang ehrlich interessiert.
„Nein, alles gut“, murmelte ich in meinen Kakao.
„Das Spiel gestern war doch prima“, munterte meine Mutter mich auf. „Du hast einige schöne Tore geworfen!“
„Ja. Schon. Aber ich fühle mich nicht …“. Ich wartete, ob meine Eltern irgendeine Suggestivantwort geben würden, aber beide warteten geduldig, dass ich selbst fortfuhr. „… irgendwie …“. Es kam immer noch keine Hilfe, obwohl ich beide bettelnd ansah. „… nicht gut genug.“
Mein Vater grinste sein berühmtes ach-sie-beliebt-zu-scherzen-Lächeln. „Nicht Dein Ernst!“
„Doch … schon …“ Ich wusste ja selber nicht so genau, warum ich keine Lust mehr hatte. Vielleicht war ich einfach zu schlecht? Das wäre eine plausible Antwort auf meine eigenen Fragen gewesen.
Meine Eltern blickten mich forschend an, aber mehr war aus mir nicht herauszubekommen. Trotzdem rollten sie weder mit den Augen, noch machten sie mir Vorwürfe. Es kam auch nicht die und-was-willst-du-stattdessen-machen-Frage, von denen meine Schulfreundinnen oft zu berichten wussten.
„Okay“, sagte meine Mutter, „Dann solltest Du das Deinem Trainer und der Mannschaft spätestens beim nächsten Training sagen.“
Ich starrte sie mit weit aufgerissenen Augen an; mein Plan war eigentlich gewesen, überhaupt nicht mehr hinzugehen, oder meinem Trainer eine Mail zu schreiben (ich hatte damals nur einen Laptop, aber noch kein Smartphone, doch das ist eine andere Geschichte). „Wie jetzt…?“, stammelte ich.
Mein Vater sagte mit gespieltem Ernst: „Deine Mutter hat Recht. Du musst es ihnen sagen, immerhin seid Ihr seit Jahren eine gute Mannschaft, und wenn Du gehen möchtest, ist es nur fair, das von Mensch zu Mensch zu besprechen.“
Ich lehnte mich zurück, ich musste nachdenken und legte dazu meine Stirn in Falten. „Und wann soll ich das machen?“
„Na, beim nächsten Training, am besten gleich zu Beginn“, sagte meine Mutter.
„Und wenn die mich nicht gehen lassen?“
„Damit wirst Du leben müssen. Ihr habt noch einige wichtige Punktspiele in den nächsten Wochen, Du solltest darüber nachdenken, ob Du noch ein paar Spiele machst, damit die Mannschaft sich umstellen kann. Du bist wichtig für das Team!“
Wichtig für das Team, pah, und was ist wichtig für mich? Scheisshandball.
„Ich überleg’s mir“, murmelte ich und trank noch einen Schluck Kakao.
Die Lektion hieraus für mich war, dass meine Eltern meine Entscheidung respektierten, mir aber die Verantwortung für die Folgen daraus nicht abnahmen. Sie riefen nicht beim Trainer an, sie tadelten mich aber auch nicht für die Entscheidung.
Der Witz der Sache war, dass ich dann doch nicht mit dem Handball aufhörte, aber das ist eine andere Geschichte, die allerdings nicht ganz so schön war.
Ich hab in dem Alter mit dem Handball aufgehört. Das Gespräch mit dem Trainer war echt schwer, weil er mich nicht gehen lassen wollte, Gründe einforderte, usw.
Deine Eltern haben wunderbar reagiert 🙂
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Ja, meine Eltern waren damals schon toll und sind es immer noch! Mit den beiden habe ich echt Glück gehabt im Leben 🙂
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