Cooling down

Nach der Chaoswoche (Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4) fiel es mir unglaublich schwer, wieder zu einem halbwegs normalen Rhythmus zu finden. Der Montag war eine totale Katastrophe, weil ich am Sonntag abends wieder nicht in den Schlaf gefunden hatte und der Wecker trotzdem um 6:15 die Nacht beendete. Zu allem Überfluss war das Wetter ebenfalls eine absolute Unverschämtheit, es schüttete und wehte als ginge es darum, alles Übel der Welt wegzuspülen.

Das half meinen kaputten Gedankengängen auch nicht weiter, und so schleppte ich mich in die Uni und überließ es meinem Gehirn, ob es etwas mitbekommen wollte oder nicht, aber das kreiste den ganzen Tag nur um folgende Themen: Niklas, Morten, Tod, Schmerz, Leid, Trauer, Weltuntergang, Regen, Sturm, Sex, Küssen, Trennung, Abgrund, Verzweiflung, Liebe, noch mehr Sex (ich bin fast durchgedreht!), und, irgendwann: Kaffee! Kaffee! Kaffee!

Ohne Kaffee geht bei mir derzeit gar nichts. Ich schlich mich aus der Vorlesung zur nächsten Cafeteria, wo ich einen doppelten Espresso bestellte, mit dem ich mich an einen ruhigen Tisch in der Ecke begab. Ich hatte gerade den ersten Schluck getrunken, als ich eine Nachricht von Niklas erhielt.

[N 14:25] „Hallo Anna, ich hoffe es geht dir gut. Tut mir leid, dass ich mich gestern so heimlich verabschiedet habe, aber du hast so schön geschlafen, und ich hatte den Eindruck, dass es dir gut ging.“

Ich hatte sofort ein schlechtes Gewissen, weil ich auf seine ähnlich liebevolle Nachricht auf meinem Nachttisch noch nicht geantwortet hatte. Ich war ihm nicht böse; vermutlich hätte ich ähnlich gehandelt, wenn er im Schlaf lächelnd den Namen seiner Ex gemurmelt hätte.

[A 14:25] „Vielen Dank für den schönen Brief, den hast du toll geschrieben. Ich hätte dich gern länger bei mir gehabt, und es ist mir sehr peinlich, dass ich im Traum von Morten geredet habe …“

[N 14:26] „Ihr seid füreinander bestimmt, davon bin ich fest überzeugt.“

[A 14:26] „Ich empfinde nur leider nichts mehr für ihn …“

[N 14:26] „Oh doch!“

[A 14:26] „Nur weil ich im Schlaf an ihn denke?“

[N 14:27] „Du hast gelächelt.“

[A 14:27] „Das kann nicht sein. Ich habe dir doch von meinen Alpträumen erzählt :(“

[N 14:27] „Die sind nicht real ;)“

Da konnte man nur mit Logik kontern.

[A 14:28] „Das war das Lächeln auch nicht :(“

[N 14:28] „Hör auf dein Herz, Anna ;)“

[A 14:29] „Das ist stumm. Ich höre momentan eher auf andere Körperteile ;)“

[N 14:29] „Das habe ich gemerkt ;)“

[A 14:29] „Dann bin ich beruhigt.“

[N 14:29] „Auch wenn es schön war … Du und Morten, ihr habt eine Zukunft. Du und ich nicht.“

Was sollte das denn werden? Eine Abfuhr? Ich war wütend und wollte etwas Bissiges erwidern, ließ es aber bleiben und legte mein iPhone zur Seite. Noch eine Leiche, die meinen Weg pflasterte, und falls das der Weg zurück in die Normalität sein sollte, wäre jetzt vermutlich der richtige Zeitpunkt gekommen, um über die Richtung nachzudenken.

Zum Nachdenken war ich zu müde, ausserdem hatte ich rasende Kopfschmerzen, als würde mein Schädel platzen, und ich dachte mit großem Entsetzen an Niks Freundin, die so plötzlich gestorben war – nachdem sie über Kopfschmerzen geklagt hatte.

In so einer Situation denkt man darüber nach, ob das Leben bisher gut gelaufen ist oder nicht, und wenn nicht, was man selbst tun kann, damit es besser läuft. Ein Lehrer von mir hat früher gesagt: Ändere die Dinge, die du ändern kannst, ärgere dich nicht über die Dinge, bei denen du es nicht kannst, und lerne beide zu unterscheiden.

Manche Dinge passieren einfach, auch wenn sie unglaublich schlimm sind. Das kann man – rückwirkend – nicht mehr ändern.

Andere Dinge kann man ändern.

Wenn man die Kraft dazu hat. Und die Lust.

Ich hatte an diesem verregneten Nachmittag beides nicht und beschloss, nach Hause zu gehen und mich aufs Sofa zu legen.

Die Welt müsste ich an einem anderen Tag retten. Zumindest meine.

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